Antwort auf: The Last of Us (Neues von Naughty Dog) von freshp

SirDaniel
Status: User
Mitglied seit: 23.10.07
Ort: Heidiland
Beiträge: 942
Netzwerke:


Puh, eine anstrengende Sache, dieses Spiel. Das Lager scheint mehrheitlich in zwei teile gespalten, und beide Seiten waren nicht so ganz zufrieden, aber dazu später mehr. Hier mal alles was ich spoilerfrei sagen kann:

Technisches:
wie erwartet von Naughty Dog, alles absolute Spitzenklasse. Ein paar Dinge, die ich speziell hervorheben würde:
- Sounddesign: absolut fantastischer Surround. Der schönste virtuelle Regen ever.
- Physik von Seilen / Kabeln - sowas hab ich noch nie gesehen. Verhält sich sehr realistisch und keinerlei clipping wenn man es irgendwo rumwickelt.
- Augen - die besten Augen die ich jemals in einem Spiel gesehen habe.
- Die Accessibility Optionen sind super ausführlich - so das man sie eigentlich anders nennen müsste. FOV erhöhen, Kamera-wobble ausschalten, Items hervorheben oder einem in die richtige Richtung weisen für Leute wie mich die ohne Google Maps verloren sind. Alles in allem eine super Sache!
10/10

Gameplay:
Ich war nie ein grosser Fan vom ersten Teil (bezüglich Gameplay), darum war ich anfangs etwas enttäuscht da sich nicht viel geändert hat. Das hat sich aber nach etwa 3-4 stunden geändert, vor allem wenn man in die ersten grösseren Areale kommt die voller Gegner sind. Ich hab so einen Zwang alles immer in perfektem Stealth zu machen, aber sobald ich das aufgegeben hatte, wurde das Spiel vieeeel besser. Ein paar Gegner ausschalten bis man entdeckt wird, dann ein bisschen rumballern, davonlaufen und sich wieder verstecken. NIE einen checkpoint neu laden weil etwas nicht so funktioniert hat wie man wollte. Just go with the flow. Items und Munition hat es zu genüge, so dass man nie Angst haben muss das man in eine (spielerische) Sackgasse gerät.
Ich fand die AI auch ziemlich cool, v.a. wie sie miteinander (und ihren Hunden) geredet haben.
Da das Spiel imo etwas zu lang ist wird die Formel etwas öde gegen Ende, aber definitiv besser als im ersten Teil.
Bekämpfen der Infizierten ist etwa gleich interessant wie im ersten, und die neuen Gegnertypen machen es kaum interessanter. Ich hätte mir gewünscht es gäbe mehr Szenen in denen man Infizierte und normale Gegner aufenander loslassen kann, aber leider war das ziemlich rar.
Crafting nervt mich in jedem Spiel, so auch in diesem. Es entsteht dieser Zwang jede Ecke abzusuchen und jede Schublade öffnen zu müssen. Es liegt aber eigentlich genug Zeugs rum um darauf zu verzichten - was man beim ersten durchspielen natürlich nicht weiss.
Alles in allem fand ich das Gameplay ziemlich gut - kombiniert mit der tollen Atmosphäre (von der story mal abgesehen) hat das ziemlich Spass gemacht. Aaaaber das ganze war einfach zu lange und gegen Ende wurde es öde.
Ich würd aber immer noch 8/10 geben.

Bevor wir ins Spoilergebiet fahren, möchte ich noch etwas allgemeines loswerden:
Videospiele haben diesen Minderwertigkeitskomplex gegenüber Hollywood. Man möchte immer ernsthafter werden und das „Kinder-Image“ loswerden, welches das Medium halt immer noch behaftet. Hollywood kann all diese ersthaften, deprimierenden Antikriegsfilme machen und die Spieleindustrie möchte das unbedingt auch. Dabei vergisst man leider ein paar Dinge; es ist eine Sache 2h einen deprimierenden Film zu schauen, aber ich möchte mich nicht 30h so fühlen. Ausserdem - wenn man mir keine Wahl gibt wie ich mich zu verhalten habe, kann ich mich dabei auch nicht schuldig fühlen. Schlecht vielleicht, aber nicht schuldig.

-----------
Und jetzt, Spoiler für das gesamte Spiel:
-----------
----------
---------
--------
-------
------
-----
----
---
--
-


Zuerst ein paar Sätze zum ersten Teil, denn die meisten scheinen vergessen zu haben was da am Ende passiert ist: Ellie hat den Schlüssel für einen Impfstoff in ihrem Kopf, würde aber im Prozess sterben. Joel Entscheidet daraufhin, ohne Ellies Einverständnis, das ganze Krankenhaus niederzumetzeln, sie zu "befreien" und den Rest ihres Lebens anzulügen. Das funktioniert als Story, da uns Ellie über 20h ans Herz gewachsen ist und wir die Entscheidung nachvollziehen können, auch wenn jeder weiss wie extrem falsch das sie war. Gegenüber all diesen unschuldigen Leuten, gegenüber der Menschheit und vor allem gegenüber Ellie.

Nun zu TLOU2. Ich verstehe was man da erreichen wollte, aber es hat für mich nicht richtig funktioniert.

Joel wird ziemlich früh äusserst brutal zu tode geprügelt und mein aller erster Gedanke war „Ich wette das sind ehemalige Fireflies“. Das ist tragisch, da wir Joel alle mochten, aber letztendlich fand ich es nicht überraschend das ihn diese Geschichte irgendwann eingeholt hat. Ich hätte Abby im Moment auch gerne abgemurkst aber sobald man mal kurz darüber nachdenkt - als ehemaliger Firely hätte ich wohl das gleiche gemacht.

Also begibt sich Ellie auf ihren epischen Rachefeldzug, und je länger das dieser andauerte, dest schlechter hab ich mich dabei gefühlt. Vor allem nachdem (nun definitiv) klar wird, wer diese Leute waren. Und vor allem nachdem Dina erzählt, dass sie schwanger ist, wollte ich nur noch das Ellie aufhört. Aber das Spiel gibt dir keine Wahl - du must weiterhin WLF Leute abmurksen die wohl nur zur falschen Zeit am falschen ort waren. Ellie verliert in meinen Augen jegliche Sympathie und Menschlichkeit. Es gibt einen kurzen Lichtblick nachdem man einer anderen schwangeren Frau das Messer in den Hals rammt (wtf...), aber es ist zu wenig und zu spät.

Dann, endlich, treffen Ellie und Abby aufeinander - der Höhepunkt der Geschichte. Damals hatte ich noch Hoffnung das jetzt ein Ende kommt indem das ganze irgendwie doch noch Sinn macht. Aber nein. Die Story wird am Höhepunkt abgerissen und von vorne gestartet. OK...

Dann spielen wir als Abby - und ihre gesamte Clique wird uns vorgestellt und das sind ja eigentlich alles ganz nette Leute undundund. Das funktioniert alles einigermassen bis wir Isaac kennenlernen, der gerne Leute foltert und auch sonst ein totaler Spinner zu sein scheint aber irgendwie hinterfragt das hier keiner.
Abby kämpft hauptsächlich gegen die Scars, die noch während Ellies Story als Superbösewichte eingeführt werden, damit wir uns auf unserem mord-orgie wieder gut fühlen können.
Aber natürlich (oh wie überraschend) probiert das Spiel auch diese noch zu Humanisieren. Wir treffen auf Lev und Yara die sehr nett sind und Lev erzählt uns wie ihr Kult eigentlich ganz nett wäre und und und.
Wir sehen später auf ihrer Insel, dass es eigentlich ganz friedliche Farmer wären. Noch vor ein paar stunden haben wir gesehen wie jemand lebendig aufgeschlitzt wird also kann ich die Sympathie irgendwie nicht finden.
Dann kommt die unausweichliche Szene im Aquarium wo man all seine Freunde tot vorfindet und dann sind wir eeendlich wieder am Höhepunkt der Story. Wir spielen diesmal als Abby (womit ich kein Problem hatte), gewinnen und laufen danach davon.

An diesem Punkt dachte ich eigentlich, das Spiel wäre vorbei und es gäbe nur noch ein bisschen Epilog...

Wir sehen Ellie, glücklich mit Kind und Dina. Alles hat sich doch gelohnt, sie hat den Wert des Lebens erkannt und aus all diesem Desaster das mit dem Ende von Teil eins  begonnen hat ist doch noch ein klein wenig Gutes gekommen. HA! Natürlich nicht, Tommy, der Arsch, verlockt Ellie, die sich Entscheidet ihr ganzes Leben nochmals wegzuschmeissen, auf einen zweiten Rachefeldzug zu gehen. Nachdem Abby sie 2x verschont hat. Ok.

Abby und Lev werden von einem neuen superbösewicht-kult erwischt (Rattlers! Jetzt könnt ihr euch wieder gut fühlen beim abstechen!).
Die zwei finden sich dann wieder, Ellie droht damit einem kleinen halbtoten Jungen die Kehle durchzuschneiden (wie sympathisch!) damit sie eine halbtote Abby nochmals zusammenschlagen kann. Das ganze endet wieder damit das beide sich in ruhe lassen. Ellie geht nach hause und halt alles verloren was niemanden überrascht.

Super. Ellie ist am Ende und hat alles weggeworfen, alles verloren. Was Joel am Ende von Teil eins gemacht hat war letztendlich für überhaupt nichts. Sie könnte genau so gut tot sein.

Ende.

Letztendlich hab ich mich für den Grossteil dieses Spiels einfach nur schlecht gefühlt. Ellie war mir extrem unsympathisch und Abby - ich hab nichts gegen sie aber ans herz gewachsen ist sie mir jetzt auch nicht.
Die Story war auch extrem vorhersehbar. Es ist mir klar was ND damit erreichen wollte, aber es hat für mich einfach nicht funktioniert.
Die Story am (ersten) Höhepunkt neu zu starten war auch keine gute Idee imo. Vielleicht hätte es besser funktioniert wenn die beiden Geschichten mehr verschachtelt erzählt worden wäre, keine Ahnung.
Oder wenn beide Charaktere etwas mehr in der Grauzone gewesen wären. So wie es präsentiert wird, ist Ellie ganz klar die böse und Abby ganz klar im Recht.

Oder vielleicht funktioniert so eine Story als Videospiel einfach nicht, vor allem wenn man keine eigenen Entscheidungen treffen kann (da hat Detroit: BH noch besser funktioniert). Bei Spec Ops: The Line war man am Ende auch der Antagonist, aber wenigstens fühlte man sich das ganze Spiel hindurch einigermassen im Recht. Das ist hier leider nicht der Fall, und ich will keinen schlechten Menschen in so einem extrem ernsthaften Spiel spielen. Man kann mir nicht mit einer Gewalt-ist-schlecht-Message kommen wenn man mir gar keine Wahl lässt.

Das sind so meine Gedanken. Wird viel diskutiert über dieses Spiel, was ja eigentlich ganz cool ist. Ich bin jetzt seit etwa 1.5 Wochen durch und denke immer noch darüber nach - und ich muss doch sagen das meine Meinung eher aufwärts gegangen ist in der Zeit.
Letztendlich kann man es ja nur begrüssen wenn Entwickler versuchen das Medium weiter zu pushen.

Meine Güte das war eine Menge Text

__________________
"HALT, STOP!"
Auf diesen Beitrag antworten