Antwort auf: Gears of War 2 oder: Der Hype geht weiter! von Chilitree01

crizzo
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Nachdem ich mich nun etliche Stunden mit Teil 2 und unzählige weitere mit Teil 1 beschäftigt habe, komme ich zu dem Urteil, dass der Multiplayer in Teil 1 besser war und bleibt.

Das hat in erster Linie folgenden Grund: Die Figuren sind in Teil 2 zu schwerfällig geworden. Klar ist es toll, wenn man nun größere Karten und insgesamt 10 Spieler in der Lobby hat, auch dass die Stopping Power heranrushende Shotgun-Liebhaber bremst, ist in Ordnung. Aber warum zur Hölle hat man den Gears nicht etwas mehr Bewegungsfreiheit und Reaktionsschnelligkeit eingehaucht? Warum kommt einem der Seitwärtssprung so furchtbar schwerfällig vor? Alle GOW-Gamer haben sich nach Teil 1 gewünscht, dass die Spielfiguren noch quirrliger werden, aber nein... man macht sie schwerfälliger.

Es hatte nämlich auch etwas mit echten Skills zu tun, wenn man in den Shotgun-Duellen agil wie ein Hase ausgewichen ist. Zwar war das "Surfen" von Seite zu Seite und von Vorsprung zu Vorsprung stellenweise zu viel des Guten, aber es war möglich, dem Tod noch von der Schippe zu springen. Vor allem war es möglich, selbst noch aus einem vielleicht besseren Winkel das Gegenüber zu erledigen. Ganz einfach, weil die Shotgun noch ihre Power hatte. Die meistbenutzte Waffe für 1-gegen-1-Duelle wurde so dermaßen entschärft, dass man in Übertreibung das Gefühl hat, mit Platzpatronen zu schießen. Heiße Luft kommt aus der neuen Pumpe, sonst nichts. Und das ist tatsächlich eine Mittelschwere Katastrophe. Das hätte so nicht passieren dürfen und es bleibt zu hoffen, dass - wie auch damals bei Teil 1 in Bezug auf die anfangs zu schwache Lancer - ein Update nachgeschoben wird, welches der Shotgun neues Leben bzw. alte Stärke einhaucht. (Bei der Magnum haben sie es richtig gemacht, die starke Pistole wurde etwas verstärkt, lässt sich nun tatsächlich für Kopfschüsse missbrauchen. In Teil 1 ging das nur, wenn das Gegenüber mal eben die Controller-Batterien wechseln musste.) So kommt es also, dass nur noch gesägt wird. Die Säge ist nunmehr die stärkste Nahkampfwaffe und ihre Sogwirkung ist noch etwas heftiger als in Teil 1, wo man sie mit der Shotgun (oder auch eine anderen Waffe mit gezielten Treffern) wenigstens noch bremsen konnte. Bei Teil 2 kann man es innerhalb der letzten zwei Meter vorm heraneilenden Säger vergessen, das Schneidewerkzeug noch irgendwie aufhalten zu können. Und das ist nicht nur lächerlich, sondern einfach unfair.

Außerdem wurde den Sniper-Liebhabern ein Strich durch die Rechnung gemacht. Während man in Teil 1 die Bewegungsabläufe erahnen konnte, sind diese in Teil 2 viel feiner und vielschichtiger. Das hört sich erstmal gut an, allerdings nimmt man den Headshot-Verrückten so die Möglichkeit, echte Skillshots aus der Bewegung heraus zu erzielen. Wenn das jetzt doch noch mal passiert, sind das meist Glückstreffer. In Teil 1 gab und gibt es aber Leute, die gezielt in Bewegungen hineinschießen und bewusst Köpfe zum Platzen bringen. Das ist je nach Schusswinkel schon eine echte Herausforderung, für die man viel Übung braucht, um sie regelmäßig und mit etwas Sicherheit anwenden zu können. Ein Element, um welches man nun Teil 2 beraubt hat. Auch trifft man keine in der Deckung kauernden Schädel mehr. Sonst war man dauerhaft nur hinter einer Wand sicher, hinter einer halbhohen Deckung aber ein ruhendes Ziel für Sniper. Nun sind die Deckungen etwas höher geworden, die Headshots knapp über die Deckung quasi unmöglich.

Und dann gibt's da zu guter Letzt noch die Kartenvielfalt. Grafisch sind auch die neuen eine Augenweide, allerdings bieten die Karten aus Teil 1 im Schnitt wesentlich mehr spielerischen Tiefgang als jene in Teil 2. Größer, weitläufiger, dafür ein Stück weit mainstreamiger sind sie geworden. Damit meine ich, dass die Casual Gamer, die mit GOW2 ja nun auch endlich direkt angesprochen und gehalten werden sollen, damit sicherlich einfacher klarkommen. Vor allem, wenn man Granaten hinter Ecken und Kanten platzieren kann. Aber das ganze intuitive Wissen über eine Karte und mögliche Bewegungsabläufe der gegnerischen Spieler fällt irgendwie weg. In den meisten der neuen Karten sieht man sich spätestens nach 5 Sekunden. Man weiß gleich, wo die Gegner sind, wo sie hinlaufen, was sie vorhaben. In Teil 1 gab es unzählige Möglichkeiten mit der Erwartungshaltung des Gegners zu spielen, so entstanden herrliche Hide-and-Seek-Variationen, die denen man mit den Angreifern Katz und Maus gespielt hat. Die Möglichkeit, sich erstmal zu verstecken, abzuwarten und generell einfach erstmal zu antizipieren geht Teil 2 fast komplett ab. Man spawnt, rennt in die nächste Deckung mit Blickkontakt zum Gegner und ballert erstmal fröhlich. Durch die Weitläufigkeit kann es passieren, dass wenn kein Team einen Fehler macht und den jeweiligen Gegner unter Beschuss hält, es Minuten dauert bis es zum ersten Kill kommt. Die Möglichkeit über verschiedene Wege in den Nahkampf oder direkten Schlagabtausch zu kommen, wurde drastisch verringert. So sehr, dass es manchmal fast langweilig wirkt. Und das ist natürlich extrem schade.

Mein Fazit ist also relativ eindeutig. Das so sehr auf individuelle Skills und eine gewisse Lernfähigkeit der Gamer ausgelegte Spielgefühl des ersten Teils wird einfach nicht mehr erreicht. Trotz toller neuer Modi und zwei Spielern mehr auf der Karte wirkt Teil 1 im Multiplayer auf mich besser. Auch die neuen Gameplay-Ideen (Stopping Power, Granaten als Proximity Mines, "umwerfende" Rauchgranaten) sind nicht ganz ausgereift und richten zu viel Ärger beim GOW1-Kenner an, als dass sie glücklich machen oder entscheidende Spieltiefe hinzufügen. Mir tut das echt in der Seele weh, aber ich muss sagen, dass der Multiplayer in Teil 2 keinen wirklichen Fortschritt zu Teil 1 darstellt, sondern nur eine "Höher, größer, weiter"-Verbesserung ohne tieferen Sinn für Skills und Spieltiefe ist. Meine Droge ist und bleibt also der Multiplayer von Teil 1, den ich nun wieder regelmäßig spielen werde. Das Aha-Erlebnis von Teil 2 ist erstmal verflogen und ich mache mich nun auf, doch noch den "Mal im Ernst..."-Erfolg in Teil 1 zu knacken. Ich habe bis dato 8.400 Kills in Ranglisten-Matches, fehlen nur noch 1.600. Und die werde ich mir nun doch noch holen. Ist ja auch was.


PS.
Grundsätzlich beziehen sich meine Ausführungen nur auf die Multiplayer-Modi. Die Single-Player-Kampagne finde ich in Teil 2 nach wie vor wesentlich besser.

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