Antwort auf: Metal Gear Solid (4: Guns of the Patriots) -Container- von Mars Gras

Farman
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So, dann kann ich auch noch mal was in den Games-Bereich posten. Allerdings in einem Thread, der schon über ein Jahr lahmgelegt ist, zeigt extrem deutlich, wie sehr ich up to date bin. MGS2 hatte ich in der ersten Woche des Erscheinens damals drei mal durchgezockt, den dritten immerhin während damaligem Schulstress. "You've changed, Farman", kann ich David Hayters rauhe Stimme sagen hören.

Erst einmal: Weder den dritten noch den zweiten hab ich beim ersten Durchzocken komplett zu schätzen gewusst, aber die hab ich relativ schnell wieder reingelegt. Beim vierten fehlt mir dazu leider die Zeit, ein Wochenende konnt ich grad so opfern. Es muss mind. ein zweiter Lauf her, keine Frage, zumal ich recht hastig gezockt hab und unfassbarerweise nicht auf einem angemessenen Schwierigkeitsgrad, weil ich's schnell machen wollte.

Aaaalso... Spielbarkeit lasse ich fürs Erste mal außen vor. Die stimmt, wie immer, ob das Ding spielerisch so grandios ist wie die Trilogie, dafür muss ichs nochmal durchspielen... ich belass es mal bei Story und Atmosphäre. Das Spiel ist klasse, keine Frage. Ob meine Erwartungen erfüllt wurden? Ich weiß gar nicht, welche ich hatte. Die Frage ist, wie verhält sich das Teil zu der Trilogie (selbstverständlich ist's keine Trilogie, für mich wurde sie bis jetzt aber als solche angesehen). Wie verhält sich die Trilogie untereinander? Allgemein klischeehaft ist es mittlerweile, den ersten als den besten anzusehen, und dieses Klischee möchte ich einigermassen unterstützen. Er war irgendwie der "reinste" und wenn man MGS denkt, denkt man doch zuerst an Alaska, an den Heliport, an die Türme, an Psycho Mantis, an Sniper Wolf, an Meryl, an die Folterkammer, an die bemalten Wände, an denen man C4 kleben konnte... Der erste Teil hatte einen geschlossenen Ort, eine butterweich von Anfang bis Ende ineinanderverweisende Handlung, ein für jeden anderen Teil unerreichbares (End-)Gegnerdesign, eine nicht zu übertreffende Dichte an emotionalen Szenen und bahnbrechenden Einfällen... der erste ist der Standard. Ist er deswegen der (unerreichbar) beste und verdient den Sonderstatus uneingeschränkt? Imo nicht. Dann übersieht man, dass der zweite Teil eine womöglich noch intelligentere und viel verrücktere und gewagtere Handlung hat mit einer unvergleichlichen Liebe zum (Story-)Detail, die nach dem zwanzigsten Mal noch vom Hocker haut. Dann übersieht man, dass in Sachen Figurenbezogenheit und Charaktertiefe der dritte wahrscheinlich der beste ist. Aber das ist das gute: Die drei Teile haben verschiedene Stärken und harmonieren so wunderbar zusammen, dass man das MGS-Erlebnis in drei gleichwertigen aber verschiedenen Formen hat, und man (also ich) muss sich gar nicht für eines entscheiden.

Ich habe selbstverständlich gehofft, der vierte knüpft daran an. Mit dem ersten kann man ihn nicht vergleichen, da er halt wie erwähnt der ausgewogenste war. Aber im Vergleich mit Teil zwei und drei fällt mir auf, dass der Vierte weder eine dermassen geniale Handlung hat wie der zweite (Was ist dieses bißchen K.I.-Zeug schon gegen die S3-Simulation damals?), noch eine annähernd so liebevolle Gestaltung der Figuren wie der dritte (Das Verhältnis Naked Snake - Ocelot - The Boss, die extrem intensive Szene in der Folterkammer, dieses liebenswerte Luder Eva und der Perversling Volgin: Ich frage mich wer oder was in Teil 4 diesem Vergleich standhält). Ein entscheidendes Manko ist imo die Gestaltung Snakes: Es gibt keine Szene, in dem er einen längeren Monolog hält, in dem wir was neues über ihn lernen (Teil 1 "Naomi, tell me something to keep my mind off the pain" - dieser lange Dialog, in Teil 2 aus der Sicht Raidens eine enorme Präsenz), Rauchsucht und Alter geben lange keinen so gebrochenen dreidimensionalen Helden wie den gestressten Vatermörder mit Schuldgefühlen für Meryls (beinahe-)Tod aus Teil 1. Naked Snake oder Raiden waren Charaktere in der Mache, die mussten nicht viel erzählen, aber für den großen Solid Snake war das imo viel zu wenig. Dann die schnelle Einbindung aller noch lebenden Figuren der Trilogie: Großartig, sie alle wiederzusehen, aber sie waren vorher alle besser. Bspw: Mei Ling und Naomi, Kojima ist ja ein echter Gentleman, so knackig hatte ich die Codec-Ladys gar nicht in der Vorstellung, war imo ne Nummer zu übertrieben, er hätte aus Nostalgiegründen gerne Meryls Hintern etwas mehr wackeln lassen dürfen, aber dass die alle so oversexed waren... naja. Und Mei Ling hat ne neue Stimme (wenn ich mir das nicht einbilde) und ist kaum wiederzuerkennen, und Stichwort neue Stimme: Ich bin zutiefst verstört dass Liquid nicht mit seiner eigenen Stimme spricht. Liquid Snake ohne seine Stimme und seinem britischen Akzent... das ist ne echte Enttäuschung.
Und dann sind da die extrem pathetischen Zwischen- und vor allem Schlussszenen... ich weiß nicht, Schmalz gehört zu MGS, aber das...

Naja, ich könnte jetzt eine Menge schreiben, aber es wird sonst ein Roman, das sind nur grobe Eindrückte. Ich muss es auch nochmal spielen. Die Anzahl an Szenen, die zum Zungeschnalzen sind, wären, sein müssten... Die Rückkehr zu Shadow Moses, wo man sich nicht nur an das erste MGS, sondern an sich selbst vor zehn Jahren erinnert, zum Heulen schön... Beim zweiten oder beim dritten wollten mich auch viele auf der enttäuschten Welle reiten lassen, aber ich hab's besser gewusst. Vielleicht bin ich auch einfach "zu alt für diesen Scheiß", was ich aber nicht glaube, die Trilogie könnte ich jederzeit wieder begeistert durchspielen. Ein hartes Urteil wäre zu behaupten, dass MGS für mich eine Trilogie bleibt. Das ist verfrüht. Aber eins steht fest: Der Vierte ist für mich definitiv eine kleine Enttäuschung.

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Ich vermag natürlich besser zu dichten, als wie's hier geschieht. Ich spare mich für später auf.
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