Antwort auf: Interstellar von corpse

SirDaniel
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Jetzt bin ich tatsÀchlich seit Django zum ersten mal wieder im Kino gewesen...
Eins vorweg: ich liebe, bis vielleicht auf TDKR, auch alle Nolan filme und war von allen begeistert. Als grosser SciFi-Fan hab ich mich extrem gefreut auf einen richtigen SciFi-Film von Nolan der aus originalem Material besteht (keine Adaption/Verfilmung/Neuverfilmung/Sequel/Prequel/Equel?/Reboot/Preboot oder MARVEL-Film)...

Und... ich bin etwas enttĂ€uscht. Nolan hat immer gesagt, dass auf wissenschaftliche Genauigkeit grossen Wert gelegt wurde, was aber hinten und vorne ĂŒberhaupt nicht der fall war. Bei Prometheus wars wenigstens nach 10 Minuten klar, dass man den Kopf ausschalten muss, aber hier ging es etwas lĂ€nger. Vielleicht hĂ€tte ich diesbezĂŒglich mit weniger Erwartung in den Film gehen sollen...
Aber eines vorweg: der Film ist gut, toll gemacht, sehr AtmosphÀrisch, McConaughey ist grossartig (obwohl ich ihn die ersten 30min noch als Rust Cole aus True Detective gesehen habe), der Sound ist klasse (keine GerÀusche im Luftleeren raum - DANKE!), die Bilder sind imposant und die Story ist alles in allem interessant. Er ist allerdings etwas zu lange geraten, v.a. die letzten 45min sind, im vergleich zm eher langsamen pacing der vorherigen 2h, etwas zu hektisch...

Und jetzt zur kritik (massive Spoiler!)



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Gewisse Fehler sind ja verzeilich, schliesslich soll auch der Story gedient werden und der Film ist ja immer noch ein Science Fiction Film...
Gewisse logische (schwarze *hrrr*) Löcher sind aber schlicht und einfach zu gross fĂŒr mich...
Dass man auf die relativistische "verziehung" der Zeit angegangen ist, finde ich an sich toll, wenn man aber den Rest der Physik mit FĂŒssen tritt kommt mir das irgendwie schrĂ€g vor:

Problem numero uno: es gibt ein schwarzes Loch innerhalb eines Sonnensystems: Nein... einfach nein. Schwarze Löcher gibts wohl im Zentrum von Galaxien, d.h. die Gravitation ist so stark, dass tausende von Sternen um sie kreisen. Eines innerhalb eines Sonnensystems zu haben ist völlig absurd. Aber es geht ja noch weiter: einer der Planeten, der fĂŒr die Besiedlung in frage kĂ€me, liegt so nahe an dem Schwarzen loch, dass die Zeit stark verlangsamt wird (ergo: sehr nahe). Selbst wenn der Planet schnell genug um das Loch rotieren wĂŒrde, dass er nicht hineinfĂ€llt (was ihn sicher unbewohnbar machen wĂŒrde), wĂŒrde er von den GezeitenkrĂ€ften des Lochs sofort in StĂŒcke gerissen werden. Das gĂ€be hĂŒbsche Ringe um das Loch, aber leider nix zum drauf wohnen...
Ach ja: es gibt hohe Wellen auf dem Planeten? Echt? Junge, die Gravitation des Mondes erzeugt schon ordentliche Gezeiten auf der Erde, von einem schwarzen Loch wollen wir gar nicht reden...
Soviel mal zum schwarzen Loch - ich komme noch darauf zurĂŒck

Problem #2 Die "Astronauten" verlassen die Erde in einer ziemlich dicken Rakete (im stile einer Saturn V, wie bei der Mondlandung), so wie das sein sollte. Man braucht dicke Raketen, da man sehr, sehr schnell (etwa 40'000km/h) sein muss den Orbit der Erde zu verlassen. Lustigerweise landen die Jungs auf den folgenden 3 Planeten in einem kleinen Shuttle (plausibel), und fliegen mit diesem auch wieder in ihre Station zurĂŒck (neineineinein...). Wenn man schon dieses magische, dem Plot dienliche Shuttle hat, warum benutzt man es nicht von Anfang an? Man hĂ€tte einen nicht erklĂ€rten Antrieb gehabt (der Film spielt ja auch in der Zukunft) und wĂ€re nicht weiter darauf eingegangen und es hĂ€tte etwas Sinn gemacht...
Vom Energieaufwand des riesigen Raumschiffes, welches 3x in die Umlaufbahn von anderen Planeten wechselt, will ich gar nicht reden... Falls Nolan einen Steam-Account hat, geb ich ihn gerne eine Runde Kerbal Space Program aus...

- Die Lazarus-Missionen. Da haben wir diese Tollen Roboter (jaja es wird gesagt sie sind schlecht im improvisieren), und trotzdem schickt man 12 (nicht mehr sicher...) Menschen durch das Wurmloch. Es wĂ€re einiges Einfacher 100 Roboter zu schicken als 12 Menschen die dann Jahrelang ĂŒberleben mĂŒssen - von wegen Sauerstoff, Nahrung, mentaler instabilitĂ€t und so...

- Wie zum Henker ist der Quotenschwarze (sorry, das musste sein...) nach 23 Jahren (!) in Isolation nicht komplett durchgedreht? Eine kurze Umarmung und alles ist gut?

- Die Sache mit Mann (MATT DAMON!! Ich wusste nicht, dass der da mitspielt, war ne schöne Überraschung!)... Sobald sie gelandet waren hĂ€tte er sich die ganze Show sparen können. "Hey, tut mir leid, hier ist nix aber ich will hier nicht sterben". Sie hĂ€tten ihn wohl kaum zurĂŒck gelassen, schliesslich ist jedes Leben sehr, sehr kostbar, wenn man einen Planeten neu besiedeln muss, was uns zum nĂ€chsten Punkt bringt:

- Cooper will tatsĂ€chlich alleine wieder zurĂŒckfliegen obwohl er weiss, dass die Erde zugrunde geht? Ist die Liebe zu seiner Tochter echt wichtiger als das ĂŒberleben der Menschheit??

- Murph ĂŒberwindet sich in 23 Jahren nicht ihrem Vater zu verzeihen, dass er versucht die Menschheit zu retten anstelle bei ihr zu bleiben? WAS FÜR EIN SELBSTSÜCHTIGER BASTARD! Was fĂ€llt ihm ein, seine Tochter hinter das ĂŒberleben der Menschheit zu stellen! Ich kann verstehen, dass es fĂŒr sie als Kind unverstĂ€ndlich ist, aber manno, die wird ja auch mal erwachsen...

- Cooper kriegt noch kurz bevor sie durch das Wurmloch fliegen erklÀrt wie ein Wurmloch funktioniert... Also echt, ist er vom Auto direkt ins Raumschiff gestiegen ohne eine Ahnung zu haben wie sie mit welchen Mitteln wohin kommen sollen?

Das waren mal die dicken Dinger, ich hab noch ein paar, ĂŒber die ich nach ein paar Bier hinwegsehen könnte:

- Der ursprĂŒngliche Plan, einen Roboter hinter den Ereignishorizont des schwarzen Lochs zu schicken um dort etwas zu messen ("Quantum Data", YEAH BABY!) und Daten zurĂŒckzuschicken ist Absurd. Der Ereignishorizont eines schw. Lochs ist dadurch definiert, dass nix mehr raus kommt, das schliesst offensichtlich jede art von Kommunikation mit ein (und als diese Idee kam, wusste man noch nichts von 5-Dimensionalen-Zukunftsmenschen). Der Versuch an sich ist bereits völlig absurd, da die Zeit Richtung Ereignishorizont so stark verlangsamt wird, dass ihn der Roboter von aussen betrachtet niemals ĂŒberschreiten wird bevor das Universum zu existieren aufhört...

Aber kommen wir zur grossen Deus-Ex-Machina, den 5-Dimensionalen Menschen aus der fernen Zukunft: sie sind wohl dafĂŒr verantwortlich, dass Cooper in die SingulatitĂ€t eindringen kann ohne zu MĂŒsli zu werden. Sie ermöglichen Cooper, sich selbst zur NASA zu schicken und letztendlich Murph die wichtigen Daten zu ĂŒbermitteln. Warum gaben die 5D-Wesen Murph die die Daten nicht einfach so, ohne dass diese Ganze Geschichte passieren muss? Eine sadistische Ader?
Der ganze Zeit-Loop mit unseren Nachfahren, die uns das Überleben ermöglich, ergibt alles in allem sehr wenig Sinn - ein klassisches Grossvater-Paradox.

- Cooper, gib einfach zu dass du deine Tochter nicht wolltest (shit happens :-/) und sie deshalb Murphy genannt hast (wer nennt ein MÀdchen Murphy?) Murphys Law bedeuted nÀmlich tatsÀchlich exakt dass, was deine Tochter gesagt hat...

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Hoppla, die Liste ist etwas lange geworden, aber das musste jetzt raus (ich hĂ€tte auch noch mehr aber es ist spĂ€t und ich mag nicht mehr). Ich hab den Film alles in allem doch gemocht, aber wenn man einen SciFi-Film mit realistischem (oder relativistischem *höhö*) Anspruch dreht sollte man doch ein paar Dinge mehr als Zeit (und das auch nur wenns grad passt) berĂŒcksichtigen. Ich hab kein Problem damit wenn das Universum dem Plot zuliebe verbogen wird (Star Trek/Wars/Gate, Back to the Future, Sharknado und was auch immer), aber der Film ist auf realistisch gemacht und darum hab ich auch einen gewissen Anspruch. 2001: Space Odyssey hat das besser hingekriegt... Entweder man erzĂ€hlt eine SciFi-Geschichte, oder man erzĂ€hlt eine Geschichte in einem SciFi-Universum. Dieser Film hat beides Probiert und ist damit imo etwas ins stolpern geraten.
Und ja, ich mag relativistische Physik und finde diese ganze Thematik sehr interessant (deshalb vielleicht etwas ĂŒberempfindlich), aber da ist auch nicht mehr Wissen vorhanden, als man sich mit ner Stunde Wikipedia aneignen kann...

Interstellar steht somit zusammen mit The Dark Knight Rises zuunterst auf meinem Nolan-Podest - Schade!

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"HALT, STOP!"
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