Antwort auf: Re:also, hier meine lieblingsscheiben von King-of-Leon

Farman
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Also bezüglich des "kopierens/nichtkopierens" kann ich nichts weiter mehr sagen, was ich nicht schon gesagt hätte. Kurz: Ein Remake, das heißt eine erneute Aufbereitung eines Stoffs, ist keine Kopie, eine Rahmenhandlung gar nicht die Essenz eines Films, sondern nur der Aufhänger. Filme, das sind für mich bewegte Bilder, Montage, Emotionen, Charaktere, Ambiente, Szenen. Ist das verschieden, ist der Film verschieden. Für mich kommt da ein Punkt. Weiter gäbe es nur zu sehen und festzustellen, ob das Remake nicht eine getarnte Kopie oder eine Vergewaltigung des Originals wäre, das heißt halt ein schlechtes Remake und dem Fall deine Missgunst verdienend.

Und das wär dann schon wieder ein anderes Thema. Ich war Departed gegenüber nach anfänglicher Skepsis nicht deswegen dann doch positiv eingestellt, weil ich ein Scorsese-Fanboy bin, sondern wohl eher weil mich Infernal Affairs nicht in dem Maße begeistert hat wie dich wohl. Ich bin ins Kino gegangen mit zurückgeschraubten Erwartungen, aber hohem Interesse: Seit seinem Opus Magnum "Casino", wo man sein ganzes Oeuvre verdichtet in jeder Szene atmen hören konnte, hatte ich den "alten", d.h. den großen Scorsese komplett für tot erklärt. Kundun war für mich schrecklich aufgeblasene und historisch wahrscheinlich arg verlogene Pseudospiritualität, Bringing out the Dead ein Langeweiler per Excellence, Gangs of New York trotz einiger großer Szenen ziemlich überladen und Aviator viel zu sehr Hollywood.
Was ich bei Departed sah war endgültig ein Mainstream-Scorsese, da mag das Blut noch so sehr fließen und noch so viele "fucks" gegröhlt werden, der Film war geradezu schamlos in seiner Massengefälligkeit. Von der verstörenden Kraft seiner Meisterwerke ist allerhöchstens die Hälfte da. Aber das war mal ein Film, gerade weil man seinen Regisseur und seine scheinbaren persönlichen "Obsessionen" nicht zu jeder Sekunde gespürt hat, der funktionierte, für mich jedenfalls, wenn man ihn so nimmt wie er ist. Das macht ihn nicht zu einem Meisterwerk, aber für mich jedenfalls zu einem der besseren wenn nicht besten Mainstreamfilme der letzten Jahre (weil die Konkurrenz da miserabel ist).

Infernal Affairs fand ich, den ersten Teil zumindest, auch beim zweiten Sehen (diesmal nach Departed) immer noch zu hochglanzpoliert und aalglatt, gerade dieser Mut zum Exzentrischen und vielleicht auch etwas trashigem, für den ich das Hongkong-Kino mag, war nicht da, der Film war sehr westlich. Tony Leung ist allerdings einer der besten Schauspieler der Welt und er alleine hat den Film lohnenswert gemacht.
Bei Departed gefällt mir sein Spiel mit Mainstreamnormen, seine genüsslich bis zum Extrem getriebenen Spiele mit Genreelementen, das imo etwa so funktionierte: Man weiß, was einen erwartet, eine Welt voll harter Typen, viel Blut und coolen Sprüchen, die sich irgendwie doch moralisch aus Alibigründen in die richtige Richtung auflöst, man kriegt die Welt die man erwartet (und die im Mainstreamkino seit Tarantino so allgegenwärtig ist wie Mickey Mouse und Bugs Bunny es früher für Kinder waren) aber extremer, heftiger und zynischer. Auch hier ist der Film so viel anders als Infernal Affairs, der auf eine ganz andere Weise funktioniert. Da ist ein Tod und ein Mord Teil der Handlung, Teil der Entwicklung der Figuren, wird abgehakt um das wesentliche voranzutreiben: Er ist viel ökonomischer. Was wir folglich haben sind nicht zwei verschiedene "Versionen" von ein und demselben, sondern wirklich zwei verschiedene Filme.

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Ich vermag natürlich besser zu dichten, als wie's hier geschieht. Ich spare mich für später auf.
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