Antwort auf: Der Tag im Ãœberblick von Mars Gras

corpse
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Mitglied seit: 08.11.07
Ort: Schweiz
Beiträge: 2419


ich muss es einfach irgendwohin schreiben. also setzt euch hin, ich erzähle euch eine weihnachtsgeschichte.
jeden 26. dezember feiert die ganze familie mütterlicherseits miteinander weihnachten. dazu gehören die grossmutter, ca. 6 brüder meiner mutter und all ihre mittlerweile jungen erwachsenen kinder. seit 4 jahren mieten wir nun schon unsere aktuelle unterkunft, ein schützenhaus. insgesamt sind es heuer wohl etwa um die 30 personen gewesen. jede familie hat ihre eigenen (zum teil wirklich schrecklichen) geheimnisse, der ganze kreis oder besser gesagt das ganze "system" ist verlogen. vor nem halben jahr hat einer der brüder meiner mutter oder eben einer meiner onkel seine firma an ein grossunternehmen verkauft. er war ja vorhin schon reich, aber jetzt ist er millionär. die meisten anderen sind wohl einfach neidisch darauf, dass sie nicht so viel geld haben, aber mich stört an der sache etwas anderes: er erzählt allen, was er sich als nächstes kaufen will, z.b. eine 10000 franken teure aussenlampe für das ebenfalls gekaufte ferienhaus in den bergen, oder eine yacht oder das, wovon man nie genug haben kann, nämlich autos. zudem ist dieser mann imo völlig unverdient so reich geworden. alles fing damit an, dass er die tochter des ehemaligen chefs geheiratet hat. der rest erledigte sich dann quasi von alleine.
ok, ich bin seit einiger zeit ein mensch, der sagt, was er denkt. hab heute immer wieder mal gestichelt, wie reich er doch sei (im grunde hab ich ihn nur ein paar mal "reicher" genannt, was er ja auch ist). ich meinte das natürlich nicht böse, nur eben auf diese lockere art und weise, wie man sich imo unter verwandten verhalten darf.
plötzlich dreht sich seine frau um, die neben ihm hockt und sagt zu mir: "an deiner stelle würde ich mal besser die klappe halten. das tut ihm weh, wenn du ihn so nennst." sie ist eine frau, die alles durch eine rosarote brille hindurch sieht, selbst wenn die realität pechschwarz ist. ok, sie dreht sich wieder um, nachdem ich mehr oder weniger erfolglos gekontert hab. doch bereits in diesem moment bereute ich, dass ich nicht mehr gesagt hatte. wut brodelte in mir auf, und ich wusste, wenn ich jetzt nicht für einen denkwürdigen abgang meinerseits sorgte, ich mich noch lange an den moment als feigling zurückerinnern würde. ich stand also auf, stand vor sie hin, sagte ihren namen (den ich hier nicht nenne, weil es dann nicht mehr so cool klingen würde) und sagte zu ihr: "leck mich." dazu noch den mittelfinger entgegengestreckt, dann ging ich hinaus und schletzte die tür hinter mir zu. so, jetzt komm ich gerade von einem 10-minütigen spaziergang nach hause, denn ich lief danach geradewegs durch das schneegestöber heim.
vielleicht könnt ihr euch ein bild darüber machen, wie scheissegal einem die eigene familie ist, wenn man sich einen dreck schert darüber, ob man es sich jetzt mit der betreffenden person oder gar der ganzen familie für sein leben lang vertan hat.
nicht, dass ich gleich losgelacht hätte auf dem heimweg, aber das grinsen kam etwa nach 5 minuten, weil ich mir vorstellte, wie ich später mal mit den anderen, gleichaltrigen cousins zusammenhocke und wir darüber lachen. sicher hätte man es etwas poetischer ausdrücken können als dieses allseits bekannte und etwas lahme "leck mich", aber ich hatte schliesslich nicht viel zeit zum nachdenken. und ich glaube, schlussendlich hab ich für alle das gesagt, was sie auch gerne gesagt hätten, wenn sie mal etwas mutiger für die wahrheit wären und mit der geheuchelten freundlichkeit aufhören würden. ich sehe mich als produkt oder vertretung all jener an, die tief im innern dasselbe über diese kuh denken.
ich hab mich damit jedenfalls verewigt. das ist meine geschichte, und sie wird sicher noch lange erzählt werden.

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