Antwort auf: Re:lasst doch mal Österreich in Ruh !! von Farman

hb
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>Nur mal so am Rande...

So ganz nebenbei ein faszinierender Themeanstoß. Mit eben jener mentalen Sackgasse, in der man unweigerlich landet, sobald man sich auf Ursachenforschung begibt, dürfte jeder aktiv Ergründende Bekanntschaft machen. Danke für das Reklame-Beispiel, das dank des unbekannten Faktors noch ein wenig komplexer wird als Rasenschach. Ich mag solche Gedankenspiele, das Hinterfragen von Grunsäzlichkeiten, obwohl mir das meiste eh egal ist.

Es ist ein gedanklicher Sprint, herausfinden zu wollen, welche Partei oder Sache die anderen beinflußt - und noch viel wichtiger: zu welchem Zeitpunkt diese Beinflussung stattfindet. Geht es dann noch daran, die Folgen und Konsequenzen ausmachen zu wollen, endet der Springt mit einer Bruchlandung vor der Wand. Es ist wirklich faszinierend, wie der Verstand (falls vorhanden) in Richtung logische Erklärung rennt, die Wand auf sich zukommen sieht, versucht auszuweichen und letztendlich gegen eine andere Mauer rennt. Logik ist schon eine hübsche Stolperfalle, das ständige Abwägen. Aktion, Reaktion, bis in der Summe eine Gleichheit herrschen muß. Unser Denken ist limitiert. Dieses bei der Suche nach Argumentation auszuschließen scheint uns unmöglich zu sein. Eine wirklich simple und zugleich abstrakte Erklärung für die verwarloste Fernsehlandschaft wäre denkbar, nach unserer Auffassung aber nicht logisch beziehungsweise für jeden plausibel, allgemeingültig und allumfassend. Also bleibt nur die Verkettung verschiedener Entwicklungen. Du hast Huhn und Ei treffenderweise ins Spiel gebracht. Ich pflichte dir bei, daß sich mehrere Faktoren bei unterirdischen Clips und Shows bedingen. Würde die Macher nur das liefern, was der unbekannte Pulk an Konsumenten zu sich führen möchte, würde es rein hypothetisch über lange Zeit zum Stillstand kommen. Zumindest in unserer Gesellschaft will der große unberechenbare Faktor stets was Neues, ohne es vorher spezifieren zu können. Es muß schon unbekanntes Terrain betreten werden, damit sich ein neues, noch schlechteres Format durchsetzen kann. Nehmen wir die Telefon-Brustwarzen-Werbung. Der Wunsch der Hirntoten, die damit ihr Geld verschleudern, kann gar nicht zwingend absehbar gewesen sein. Ansonsten bliebe nur der Umkehrschluß, daß Erfolg in jedem Fall plan- und berechenbar ist. Sex ist ja nicht erst seit einigen Jahren eins der Hauptinteressen der Menschheit. Die Frage, ob etwas in einen Zeitabschnitt paßt, klärt keine Hochrechnung im Labor, sondern die Zeit selbst. Ohne Probanden geht wenig, ein Trend wie nicht als Trend, sondern als Idee geboren.

Von daher züchtet sich das Fernsehen schon die unbekannte Masse heran und bildet aus ihr ein Publikum, im Rahmen gewisser Regeln, die stets weiter gestreckt werden müssen. Ohne Bewährungsprobe ist das Publikum aber nicht vorhanden. Speziell was man in der Glotze tagtäglich an Schund serviert bekommt, ist ein Abbild der Gesellschaft, doch, verlangt keiner explizit danach, wie du geschrieben hast. Das Rezept, das nicht immer greifen muß, ist ja ziemlich profan: anspruchslos, schnell zu konsumieren, anders als bisheriges und irgendein Bedürfnis befriedigend (heute eben der Voyeurismus nebst Sensationsgeilheit). Dieses Verlangen hat sich so in das unbekannte Gedankengut gefressen, während sich jeder daran gewöhnt und der Skandal von heute noch skandalöser als der von gestern ist. In den TV-Anfängen hätte der Masse keine pralle Tittenwerbung vorsetzen können, wer weiß, was das für Entrüstung hervorgerufen hätte. Oder eine Talk-Show zu früheren Zeiten - mag es gegeben haben, weiß ich nicht -, zumindest wäre der jetzige Verbreitungsgrad dieses Schmutzes nicht möglich gewesen.

Auf die 22 über den Rasen laufenden Hühner, die gegen das Ei treten, übertragen, erntest du natürlich meine volle Zustimmung. Der Kernreiz ist, das Gesehene verschieden auslegen zu können, ohne in seiner Beurteilung diverser Szenen auf ein Faktum zurückgeifen zu können, weil die Wechselwirkung auf dem Platz nicht einseitig ist. Manch einer begnügt sich mit einer guten und einer schlechten Mannschaft. Dazu noch das amtliche Ergebnis, das keineswegs den Ablauf repräsentieren muß, und man hat eine ausgezeichnete Diskussionsgrundlage. Nimmt man jetzt noch die von dir beschriebene Erwartungshaltung hinzu, dann ergeben sich etliche Bewertungsgrundlagen. Es ist wirklich faszinierend, mal gründlich über die Entstehung seiner eigenen Urteile nachzudenken. Doch es hämmert irgendwann unweigerlich im Schädel.

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Schnupper Chauvinimus, Bösewicht!
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