Antwort auf: Robert Enke ist tot von icetree

Farman
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Mal zu der "inwiefern ist das Betroffen-Sein authentisch"-Frage:
Es stimmt, dass es ein gewisses Ungleichgewicht gibt zwischen prominenten und nicht prominenten Menschen, was öffentlich zelebrierte Trauer angeht. Dies führt in ganz außerordentliche Dilemmata bei der Frage, ob das alles echt ist (was meiner Ansicht nach das Wesentliche ist, was hier angesprochen wurde). Ich persönlich finde Sentimentalität menschenverachtend, und beispielsweise Michael Jacksons Trauerfeier (das, was ich wegen meiner Sister davon sehen musste) nekrophil und widerwärtig.
Allerdings gibt es eine ähnlich menschenverachtende Position: Und zwar die aufgezwungene, im schlimmsten Sinne kommunistische Gleichmacherei auf den kleinsten gemeinsamen Nenner der Wertlosigkeit, im Sinne von "die ganzen anderen, die ich nicht kenne, sind mir automatisch scheißegal, weil ich sie nicht kenne, deswegen wäre es ungerecht, wenn mir dieser Kerl nicht auch scheißegal wäre, und deswegen muss ich diese Scheißegalität zum Prinzip erheben, da mein Fall so auch für die anderen gilt, und das Prinzip folglich einen Universalitätsanspruch hat".
Dem Tod eines Menschen muss - da bin ich sehr dogmatisch - meiner Ansicht nach der höchstmögliche Respekt gebühren, den wir zu geben imstande sind. Wenn es Ausmaße von Sentimentalität gibt, die eben in Wirklichkeit respektlos dem Verstorbenen gegenüber sind, weil sie einen die tragische Wahrheit zum Anlass für eskapistisch-traurige Fantasien machen, dann muss man dem entgegenwirken, ansonsten aber ist grundsätzlich an öffentlicher Trauer bei einer öffentlichen Person imo nicht prinzipiell die Zynismus-Keule auszugraben. Die Grenze ist eng, immer, aber authentisch zu bleiben heißt auch, nicht dogmatisch die Trauer anderer in Frage zu stellen oder überhaupt erst sich zu überlegen "hm, wie traurig darf der oder der sich überhaupt geben?"

Abstraktes Gelaber, im Grunde bin ich auf einer sehr ähnlichen Linie wie King-of-Leon, der imo den entscheidenden (sinngemäßen) Satz gesagt hat: Was sollen wir denn der Nationalmannschaft vorschreiben, ob die ein Spiel aus Trauer absagen dürfen oder nicht?

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Ich vermag natürlich besser zu dichten, als wie's hier geschieht. Ich spare mich für später auf.
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