Antwort auf: Re:nette Falschlieferung von Chilitree01

House M.D.
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>>>Bin mir ziemlich sicher dass du da nicht anrufen musst, außer du willst zusätzlich noch den Cue haben den du auch bestellt hast.
>>>Falschlieferungen musst du nichtmal zurückgeben wenn der Laden den Artikel zurück verlangt. Das hat mir zumindest mal ein BWL Prof erzählt
>>
>>Krass. Für welches Land gilt das denn?
>
>Na für Deutschland.


Oha, ich wollte nicht direkt lospoltern weil ich dachte das trifft vielleicht auf die Schweiz zu.

>Das Fallbeispiel war allerdings ein anderes. Im Beispiel bekam ein Kunde ein Paket zugeschickt was er nicht bestellt hatte. Und im Nachhinein kam dann die Zahlungsaufforderung. Diese war allerdings nicht rechtsgültig weil nie eine Einigung zwischen beiden Seiten zustande gekommen ist was den Handel betraf. Der Kunde konnte sein Paket behalten und über dessen Inhalt frei verfügen.

Streng betrachtet wäre der Fall den Sebbo hier erlebt recht ähnlich einzuordnen. Er hat unmittel erkannt das es sich bei der Lieferung um einen Aliud handelt und das ja sogar mit dem Bewusstsein, dass es ein Fehler sein muss. Dann kann man die Lieferung nicht als Erfüllung der Kaufpreisverpflichtung betrachten und somit handelt es sich dann auch um eine unbestellte Leistung. Das muss im groben so auch gelten wenn es aus dem Vereinigten Königreich kommt, denn das gesamte Kaufrecht beruht ja auf der EG-Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie die 2002 unmittelbar anwendbar wurde. Demnach müsste der Mindeststandard überall gelten und das fällt im Prinzip darunter, selbst wenn wir es in GroßBritannien nicht mit Acts zu tun hätten. Aber eh irrelevant, denn ich wollte ja was zum Professor schreiben *g*



>Das Fallbeispiel war allerdings ein anderes. Im Beispiel bekam ein Kunde ein Paket zugeschickt was er nicht bestellt hatte. Und im Nachhinein kam dann die Zahlungsaufforderung. Diese war allerdings nicht rechtsgültig weil nie eine Einigung zwischen beiden Seiten zustande gekommen ist was den Handel betraf. Der Kunde konnte sein Paket behalten und über dessen Inhalt frei verfügen. Das hat mir zumindest mal ein BWL Prof erzählt

Da sollte dem Betriebswirt aber mal jemand sagen: Schuster bleib bei deinen Leisten. Wenn sich Leute auf solche Aussagen verlassen kann es schnell sehr teuer werden und gerade einem Habilitierten glaubt man so etwas ja recht schnell. Ist so nicht ganz falsch, aber jeder Fall ist anders und das ist nur eine Fallkonstellation und auch nicht ganz richtig.

Der Prof. hat vermutlich an § 241a BGB gedacht.
[http://dejure.org/gesetze/BGB/241a.html]

Wenn etwas ohne rechtlichen Grund (z.B. Kaufvertrag) erlangt wurde (bspw. eine DVD oder ein Buch etc.) dann kann derjenige der es versendet hat in der Regeln kondizieren. Bei dieser Zusendung der unbestellten Leistungen ist eine Kondiktion aber nicht möglich. Denn § 241a BGB wirkt als Kondiktiosnsperre und schützt den Empfänger in der Hinsicht vor bereicherungsrechtlichen Ansprüchen aus § 812 I BGB.

Soweit besteht also zumindest in DIESEM Fall konsens zu der Aussage des Professors.

Das Problem ist aber nun (eigentlich ist es kein Problem) dass das deutsche Recht kein Case Law ist und sich Herausgabeansprüche nicht nur im Bereicherungsrecht finden.
Im Sachenrecht findet sich in § 985 BGB z.B. ein weiterer Herausgabeanspruch. Danach kann der Eigentümer vom derzeitigen Besitzer (das wärst dann du mit dem Buch in deinem Briefkasten) die Herausgabe der Sache verlangen, sofern du kein Recht zum Besitz hast. Eigentümer ist er zweifelsohne. Man könnte jetzt noch argumentieren, dass die Zusendung ein Übereignungsangebot darstellt. Das wird aber in der Praxis nicht der Fall sein. Denn kein Händler wird so eine Lieferung ohne Zahlungsaufforderung oder Rechnung verschicken, sodass ein Übereignungsangebot höchstwahrscheinlich nicht angenommen werden kann. Selbst wenn man ein Übereignugnsangebot in der Zusendung sieht (und das kann man durchaus vertreten, denn sonst macht es ja keinen Sinn. Unter Umständen wird vertreten werden das eine Bedingung an die Eingehung des Kaufvertrags geknüpft wäre) wird das Eigentum faktisch nicht übergehen und beim Empfänger bleiben. Dann wird der mögliche Schenkungsvertrag angefochten und in diesem Fall wird man sich auf Fehleridentität berufen, sodass die Anfechtungswirkung das Abstraktionsprinzip durchbricht und vom Kausal- auf das dingliche Geschäft durchschlägt.

Kurz: Eigentum wird der Verkäufer nur sehr unwahrscheinlich verlieren. Dann bleibt bestehen das der Empfänger derzeitiger Besitzer ist. Ein Recht zum Besitz wird er zwar haben, aber nur solange wie der Verkäufer ihn nicht auffordert das Buch zurück zu senden. Dann liegt ein Eigentümer-Besitzer-Verhältnis vor und der Verkäufer kann das Buch sehr wohl herausverlangen, denn § 241a BGB gilt im Rahmen des § 985 BGB gerade nicht.

Interessant in diesem Zusammenhang ist dann allerdings die Auswirkung. Es besteht nämlich keine Verpflichtung das Buch zurückzuschicken. Man muss dem Verkäufer lediglich ermöglichen das Buch abholen zu können. Wenn er also aufschlägt, dann muss man ihn auch reinlassen und es mitnehmen lassen. Man hat allerdings die Verpflichtung die unbestellte Ware aufzubewahren und nicht zu beschädigen.

Lustig ist dann die Konsequenz wenn der Verkäufer die Sache nicht beim Empfänger abholen will. Dann fallen Eigentum und Besitz dauerhaft auseinander. Eigentum kann dann durch Ersitzung erworben werden. Dafür muss man die Sache allerdings 10 Jahre als Eigenbesitzer besitzen. §§ 937, 872.


Was man auf keinen Fall machen darf ist über die Sache verfügen. Da hat er ganz großen Bullshit erzählt. Die Konsequenz wäre nämlich das darin eine konkludente Annahme des Angebots aus dem Kaufvertrag gesehen wird. Dann zahlt der Empfänger nämlich plötzlich doch. Ist mir unbegreiflich wie man so etwas öffentlich von sich geben kann.

Ein weiterer Herausgabeanspruch steht noch in § 1007 BGB, wobei der eher irrelevant ist weil § 1006 als einziger Anknüpfungspunkt nicht zum Erfolg führen wird -> Beweisschwierigkeiten.

Man könnte auch noch an eine Naturalresitution aus einem Schadensersatzanspruch aus Delikt denken. §§ 823 I, 249 I käme in Betracht. Das ist aber eher nur der Fall wenn kein Eigentümer-Besitzer-Verhältnis vorliegt (siehe oben). In der Praxis wird in der Regel dennoch auch dies mit in den Antrag gefasst werden.

Eine Unterlassungserklärung gem. § 1004 analog in Verbindung mit § 823 BGB (klassische Abmahnung) steht dann auch noch auf dem Zettel der möglichen Recthsbehelfe.

Das ist jetzt noch ein leichter Fall und eher unproblematisch zu lösen. Ich habe auch einige Sachen die hier zu weit führen würden ausgelassen und wollte nur einen ganz ganz groben Überblick verschaffen.
Nicht auf das hier verlassen. Jeder Fall birgt seine Eigenheiten und ist unter Umständen wieder anders zu beurteilen.

Ich denke es macht aber ganz gut deutlich, dass die pauschale Aussage des Profs ungünstig und zumindest was die freie Verfügung angeht immer falsch ist.

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