Antwort auf: Achtung Text. von Farman

Khytomer
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Khytomer


>Bosbach ist ein Arschloch, aber eins das reden kann, was 90 % der Leute bei Hart aber Fair und allem anderen Krimskrams nicht können. Es ist mir immer wieder unglaublich, wie mechanisch und derivativ und rhetorisch selbst die extremsten Emotionen in diesen Sendungen wirken.

Ich glaube nicht das ich Bosbachs rhetorischen Fertigkeiten aufgesessen bin. Er vertritt oft Meinungen die mit meinen übereinanderstimmen, und verfügt über einen allgemeinen Durchblick den ich bewundere. Ihn als ein Arschloch zu bezeichnen ist irgendwo noch schlimmer als ihn als stumpfes Instrument zur Interessenvertretung  der CDU/CSU zu schimpfen.

>Plasberg ist auch nicht frei von Kritik.

Nein, beim besten Willen nicht. Hat man ja bei der letzten Sendung auch beim Beitrag über Counterstrike wieder erleben dürfen. Trotzdem ist für mich Hart aber Fair ein gültiges Fernsehkonzept mit dessen Hilfe ich meine Meinungen reflektieren kann. Ich kann über Personalfragen da hinwegsehen, denn sie sind mir ja bewusst.

>Der Mann legt desöfteren eine völlig unangebrachte und ihn sehr entlarvende Pseudo-Smartheit an den Tag, für den ich ihn gerne mal persönlich zur Rechtschaffenheit ziehen würde.

Interessante Feststellung. Für mich heiligt der Zweck hier die Mittel. Dieses "moralische Verbrechen", wie du es weiter unten beschrieben hast, habe ich nicht gesehen. Wäs hättest du denn als Antwort des Wirtschaftstypen erwartet? Hätte es dir Schadenfreude bereitet, wie er schweigend in die Runde und dumm aus der Wäsche geschaut hätte? Plasberg hat vielleicht den falschen Begriff benutzt, aber letztlich pragmatisch die Diskussionsrunde

>Es ist dumm, so etwas zu sagen. Wenn ein Junge als Kind misshandelt wurde, später als Erwachsener selber ein Vergewaltiger oder Mörder wird, dann meinen Leute schnell, man könnte jetzt sagen, das eine sei eine exakte Ursache des Anderen. So wird ja ständig argumentiert, und das ist atemberaubend, atemberaubend dumm. Derjenige, der das sagt, der gibt dem Vergewaltiger Recht. Und derjenige, der sagt, ein Amokläufer hätte seine Gründe, der gibt dem Amokläufer Recht.

Also sind alle Kriminellen psyschisch krank, mehr oder weniger, je nach Schwere ihrer Straftat.

>Es gibt Gründe, nichts kommt von nichts, es gibt eine Dynamik zwischen Täter und Opfer, aber diese Gründe sind nicht seine Gründe und eine einwandfreie Kausalität zwischen unterdrückt und ausgegrenzt werden und mit einer Waffe wahllos auf Leute zu schießen gibt es nicht. Denn wenn es sie gäbe, müssten wir uns alle gegenseitig umbringen.

Eben nicht. Weil wir entweder überhaupt nicht erst dazu erzogen worden sind, über so etwas erst nachzudenken oder gefestigt genug sind, es niemals zu tun. Wenn er keine Gründe gehabt hat, warum hat er dann 16 Menschen getötet? Ach er war psyschisch krank, ja dann ist ja gut. Das sind ja die allerwenigsten Leute. Hab ich das Konstrukt meiner Unfehlbarkeit und der meiner Familie/Land/Menschheit nochmal gerettet. Hab ich den Täter nochmal entfremden können. Und wenn er überlebt hätte, hätten wir wohl wieder die Todesstrafe einführen müssen, um unter die ganze Sache einen Schlusstrich zu ziehen.

>Ich hab hier weiter unten sogar gelesen, dass das ein klarer Racheakt war gegen Leute, die ihn ausgegrenzt haben. Was soll der Scheiss? Der Junge hat seinen unfreiwilligen Kutschierer und einen Gärtner wahllos erschossen. Also Rache gegen wen? Die Welt hat ihn ausgegrenzt, also Rache gegen die Welt? So eine gequirlte Scheiße.

Was befürchtest du eigentlich? Das wir hier naiv seine Tat legitimieren? Oder dass wir/ich genau das durch meinen Pessimismus tue? Ich bin Realist, und weiss dass es nochmal passieren wird. Lösungsansätze habe ich gegeben, obwohl ich weder die Verpflichtung dazu habe (dem wirst du widersprechen), noch über meine Funktion als Forumbenutzer eine einflusstragende Rolle habe. Und die hast du auch nicht, also moralisier hier etwas gemässigter.

>Wer also besonderes Mitleid für den Amokläufer im Vergleich zu seinen Opfern hat, das heißt das Recht des Einen Opfers, das sich inszenieren konnte und zum Star gemacht hat gegen die vielen anderen Opfer, die als anonymes Kanonenfutter endeten und in die Müllhalde der Geschichte eingehen werden, das heißt also, in seiner Verteilung des Mitleids nochmal das Recht des Stärkeren (des Amokläufers) bestätigt, dem sei gesagt, das seine Form von Mitleid die perverseste und die nichstwürdigste Form von Mitleid ist. Sicher, Hitler oder Mao waren bestimmt auch Opfer, es geht nicht darum, das zu bestreiten, sondern es in ein adäquates Verhältnis zu setzen.

Tot ist tot. Gesetz des Stärkeren? Damit völlig entkräftet. Und auch hier muss ich mich persönlich nochmal rechtfertigen: Mein Mitleid mit den Opfern ist stärker als mein Mitgefühl für den Täter. In einem meiner Beiträge steht etwas nur scheinbar Gegensätzliches.

>Ich sehe auch nicht ein, Waffen als Ursache etwa niedriger einzustufen als Arbeitslosigkeit. Selbstverständlich wurden die Amokläufe auch von den Waffen gemacht. Selbstverständlich werden die Kriege auf der Welt von Waffen gemacht. Von den genannten Sprüchen ist "Guns kill people" tatsächlich der adäquateste, adäquater noch als "People with guns kill people". Eine Schusswaffe hat etwas wie eine Eigendynamik und ist kein Ausdruck sondern mindestens genau so sehr auch eine Ursache von Machtgefühl und erhält dadurch eine Macht die keineswegs der bloßen Entscheidungskraft eines Einzelnen unterzuordnen ist. Wie jede andere Waffe auch, auch ein Stock. Aber eine Schusswaffe oder die modernen Waffen generell sind da noch etwas besonderes. Es gibt einem das Gefühl, auf einen Knopf zu drücken und alles, was dann passiert, passieren zu lassen. Die Hisbollah, Hamas oder Israel oder die USA würden kaum mit Gewalt Politik machen können, wenn es das Prinzip der Waffe nicht gäbe: Wegen meinen politischen Interessen drücke ich ab, was dann passiert lässt sich nicht vermeiden. Wegen meinem Frust baller ich rum, der Rest ist bloß die notwendige Folge. Klar, die Atombombe war nicht der Grund für die Toten in Hiroshima, bloß die Amis. Das nenne ich mal putzig, die Waffenindustrie würde sich freuen.

Sprich die Waffe ermöglicht erst das Ausüben von Gewalt und ihre Existenz beeinflusst die Bereitschaft Gewalt auszuüben. Da ist etwas Wahres dran. Zu Hiroshima: Für mich sind die Toten von Nagasaki und Hiroshima zuallererst Opfer Amerikas, nicht der Atombombe. Aber auch Amerika war als Täter Opfer, nämlich der Opfer des von Menschen geführten Krieges. Ultimativer Täter ist also nicht der Mensch, sondern die Menschheit. Und deswegen lass ich mir nicht berechtigt vorwerfen, Pessimist zu sein.

>Was wir brauchen ist nicht kühles Drüberstehen,  

Kühl ja, aber als drüberstehend empfinde ich mich keineswegs.

>sondern verzweifelter Zorn und Rebellion, und zwar in ihrer authentischen Ausgabe.

Es braucht das eine wie das andere: Emotionen und kühle Distanz. Ich entscheide mich für letzteres, weil mir Zorn regelrecht ein Fremdwort ist.

>Was wir brauchen ist nicht Wissen, sondern Fragen, und zwar Fragen, die die Dämlichkeit der öffentlichen Medien und der Diskussion zur Schau stellen können. Und was man dafür braucht, ist Optimismus, verzweifelter Optimismus - der Pessimist hat sich nämlich schon mit dem Stand der Dinge abgefunden.

Aha, die alte Streitfrage Warum müssen Optimisten Pessimisten stets verteufeln? Ist das nicht schon an sich ein Paradox? Auch hier greift am besten das duale System! Und deshalb bin ich stets froh wenn es solche "Unverbesserlichen" ;p wie dich gibt.

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My car can fly thanks to the power of lies.
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