Antwort auf: Re:Robert Enke ist tot von Farman

hb
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>Abstraktes Gelaber

Trotzdem nicht minder relevant. Trauer verdrängt das Rationelle, als Außenstehender bleibt einem die Option, beide Gefühlswelten mal näher in Einklang zu bringen. Der Tod ist hier der Anlaß, sich mit wesentlichen Fragen zu beschäftigen, die einem bei unmittelbarer Betroffenheit gar nicht in den Sinn kommen. Du hast eine wesentliche davon eingangs gestellt: Bis zu welchem Ausmaß ist öffentliche Trauer noch authentisch?

Denn ganz nüchtern betrachtet kennt Fußballdeutschland nur den öffentlichen Robert Enke, einzig seine Familie und sein Arzt wußten und ahnten, was ganz tief ihn ihm vorging. Wobei ich nicht sagen will, daß es nur den öffentlichen Robert und den privaten gab. Ein Stück weit trifft diese Trennung hingegen zu, weil er ständig in den Medien war und jede Person im Scheinwerferlicht Schutzmechanismen aufbauen muß, um sich selbst nicht komplett aufzugeben. Daran koppelt sich die Frage, was man überhaupt über ihn wußte. Trauert man über einen Teil seiner Persönlichkeit und wird ihm das überhaupt gerecht? Ihm im privaten Umfeld gegenüber gestanden haben die wenigsten.

Auch wenn diese Fragen scheinbar implizieren, daß man ihn doch nur in Teilen gekannt haben kann, nämlich in solchen, die von den Medien aufgereitet wurden, will ich keineswegs damit ausssagen, wie nah einem jeden sein Ableben gehen kann. Es ist ein Aspekt, über den man unabhängig davon, ob man nun traurig ist oder nicht, nachdenken kann. Denn diese nebensächlichen aber doch paradoxerweise zentralen Fragen wird man sonst nicht in der breiten öffentlichen Diskussion finden - zurecht, denn man sollte ihn jetzt, wie du sagtest, ehren, anstatt spektisch jeden positiven Gedanken an ihn zu hinterfragen.

Obwohl ich der Meinung bin, daß öffentliche Anteilnahme schnell erdrückend wirkt, möchte ich niemandem reinreden, was er zu fühlen hat. Ein knapper Artikel, der die Problematik anschneidet, ist hier nachzulesen:
[http://www.11freunde.de/bundesligen/125577/worueber_man_nicht_reden_kann]

Es gibt soviele Ansichten, ob man nun respektvoll die Schnauze hält, rational betrachtet im Alltag verbleibt, seinen Gefühlen freien Lauf läßt, sich auf Suche nach den Ursachen macht, berufliche Beschäftigung wittert oder doch nur etwas dazu beitragen möchte, daß ein öffentlich sympathischer Mensch die letzte Ehre erfährt, daß ich zu dem komme, worauf ich eigentlich hinaus wollte. Ich finde es mehr als nur angebracht, daß jeder seinen eigenen Weg findet, mit den Ereignissen umzugehen. Also der Pluralismus der Gefühle ist ein Kernaspekt des menschlichen Daseins, ohne den wir ziemlich aufgeschmissen wären.

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Schnupper Chauvinimus, Bösewicht!
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