Antwort auf: was zum Islam von Chilitree01

Farman
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Ich hab mal vor ein paar Jahren in einem Jugendzentrum Zivi gemacht und hatte es einige Tage lang mit kleinen Kindern zu tun so unter 10 bis knapp über 10. Da gab es drei türkische Geschwister, zwei Jungs und ein Mädchen, ein extrem süsses sogar. Waren alle echt anhänglich. Die zwei Jungs, so knapp über 10, haben mich mal so relativ nebenbei gefragt ob ich Moslem bin, und ich sagte nein, und die haben sich höchstens ein wenig gewundert aber gesagt ok. Irgendwann fielen ein paar Worte darüber, was irgendwo irgendwie im Koran drinsteht, was ich zufällig wusste, weil meine Geschichtslehrerin mir damals wegen meinen schwarzen Haaren völlig gegen meinen Willen den Islam als Thema für die mündliche Prüfung aufgebrummt hat. Deren Reaktion war a la "Ach so. Aber du glaubst doch nicht dran?", woraufhin ich sagte "Jep, muss man ja auch nicht, aber ihr könnt doch daran glauben". Es war eine lockere Atmosphäre und Toleranz das selbstverständlichste auf der Welt. Nicht Toleranz im Sinne von Scheißegal, sondern wohldosiertes gegenseitiges Interesse und im Falle der Geschwister kindliche Neugier.

Dann irgendwann holte ihr Papa, so'n Zwerg, sie ab, ganz nett, ganz höflich, hat bei uns einen Riegel Schokolade gekauft und ganz nett mit uns gelacht. Am nächsten Tag haben die mir erzählt, dass die in der Moschee waren. Und nebenbei eine Geschichte, die sie da gehört haben, über ein Mädchen, das den Koran verbrannt hat und von Gott als Strafe zu einem Affen gemacht wurde, als Beweis diente ein Foto aus einem Zoo, wo sie jetzt residiert, das sie mir auch gezeigt haben. Und ich hab denen gesagt, das sei Unsinn, und die wollten mir nicht glauben. "Doch, doch, das ist echt so, glaub mir", so in etwa war das, Kinder halt. Nicht aggressiv oder sonst irgendwie feindselig, die haben halt einfach daran geglaubt. Das Mädchen hat dazu nix gesagt, ich glaub, der war das noch nicht so wichtig, aber bei ihrem Anblick und dem Gedanken daran, was für liebenswerte Kinder die drei eigentlich waren, wurde mir irgendwie anders. Als der Papa wiederkam hätte ich vielleicht einfach dreist sein und was sagen sollen, das sagt sich so leicht jetzt, das hat die Situation aber einfach nicht hergegeben. Vielleicht war der Vater selbst ja nicht so komplett bescheuert, die Kinder waren immerhin nicht schlecht erzogen. Keine Ahnung.

Das Video oben hab ich nur zwei Minuten lang gesehen, weiß also nicht, was da alles gesagt wird. Aber die ersten zwei Minuten, sprich "der Koran löscht alles vorige aus und ist endgültig", reichen. Das ist gefährlich. Man muss nur ein wenig nachzuvollziehen versuchen, wie eingängig derartige Sätze sind, dass sie runtergehen wie Öl, wenn einem der Horizont durch irgendwelche Umstände eingegrenzt wird. Das hat nicht unbedingt was mit Islam zu tun, das ist bei jeder Art von Slogan, der auf einen Bierdeckel passt, mehr oder weniger der relativ selbe Scheiß. Was ich bei den Kindern in Erfahrung bringen konnte, ist, dass eine derartige Einstellung ANGELERNT ist und das Intoleranz oder religiöser Faschismus nicht im Geringsten etwas uns wesenhaftes ist.

Und warum wir immer im Zwist zwischen Toleranz und Intoleranz den nächsten Schützengraben suchen müssen und vor allem bei der Konstruktion von gegenseitigen Vorwürfen mit diesen Begriffen arbeiten liegt an unseren absurden Scheindifferenzen in unserer gedanklichen Landschaft. Das immer selbe Schlachtfelt, viele Kollateralschäden, aber kein Ende. Ich habe keine Ahnung, was "Der Islam" oder was "Der Westen" ist. Und das ständige Rumreiten darauf ergibt Slapstick pur, jedesmal wird das Ziel verfehlt. Als Iraner habe ich das vor etwas mehr als eineinhalb Jahren zu spüren bekommen. Leute reden von dem "Wunschbild des Westens", wenn mutige Jugendliche aus Zorn vor einem System, für das sie nichts können, sich auf der Straße einen Lungenschuss abholen oder im Gefängnis vergewaltigt werden und man das beklagt. Der sogenannte Westen betreibe doch Propaganda und soll fremde "Kulturen" oder "den Islam" tolerieren. Unfassbar. Und hier hast du die Grünen, die größte Flaschenpartei vor Gottes Angesicht, die unter dem Vorwand der Toleranz/Intoleranz-Geschichte einen Kerl wie den da oben nicht in die Schranken weisen können. Auf der anderen Seite die Konservativen, die auch vom "Westen" und vom "Islam" sprechen, nur zumeist umgekehrt. Kein Ausweg.

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Ich vermag natürlich besser zu dichten, als wie's hier geschieht. Ich spare mich für später auf.
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